Erfahrungsbericht

Supermarkt
26.03.2020
Nicht gemeldet
Lösung gefunden: Leider nein.

Ich habe lange überlegt, ob ich mich zu diesem spezifischen Rassismusproblem, das derzeit asiatisch gelesene Menschen betrifft, überhaupt äußern soll... Schließlich hatte sich diese Form der Diskriminierung bei mir in den letzten Wochen darauf beschränkt, in der Öffentlichkeit etwas mehr gemieden zu werden als nicht asiatisch aussehende Menschen – das war zwar nicht schön, aber da dachte ich mir noch 'na ja, Menschen und ihre irrationalen Ängste eben' und 'dann muss ich schon selbst nicht so sehr auf den Sicherheitsabstand achten', ha ha. Man soll ja immer das Positive sehen – das wird einem schließlich noch immer häufig genug gesagt, wenn man solche Probleme doch mal thematisiert.

Mittlerweile hat dieser Rassismus jedoch nahezu absurde Züge angenommen. Ich war in den letzten neun Tagen exakt drei Mal einkaufen – um dabei zwei Mal direkt darauf hingewiesen zu werden, dass ich als Mensch 'irgendwie asiatischer Abstammung' entweder direkt mit für den Ausbruch verantwortlich bin und daher bestraft gehöre oder definitiv das Virus in mir tragen muss – als wäre es irgendeine Form eines Gendefekts (der auf magische Weise per Tröpfcheninfektion weitgegeben werden kann).

Situation 1: älterer Mann im Gespräch mit jungem Supermarktmitarbeiter (augenscheinlich ebenfalls mit Migrationshintergrund) im Eingangsbereich; mit Blick und Zeigefinger auf mich gerichtet: "Wieso dürfen DIE denn noch hier rein?" Antwort: "Noch können wir hier ja niemanden einfach so rauswerfen!" mit einem Zwinkern in meine Richtung. Das Zwinkern sollte wohl andeuten, die Antwort sei nicht ganz ernst gemeint. Schön und gut. Die Frage war es dennoch; und von dem Zwinkern weiß der ältere Mann nichts.

Situation 2: direkt an der Kasse – mit relativ langer Schlange anstehender Mitmenschen hinter mir. Kassiererin: "Wieso tragen Sie nicht 'zumindest' Ihren Mundschutz?" Niemand, absolut niemand, um mich herum hat einen Mundschutz getragen (das war damals noch nicht 'normal'). Als ich die Frau darauf hinweise und sie frage, weshalb denn bitte gerade ich einen Mundschutz tragen solle, kam ein trockenes: "Na, weil sie doch dieses Corona haben.". Bitte was?!

Ich hätte bestimmt in beiden Situationen etwas sagen können und vielleicht sogar sollen, aber die Untätigkeit der Menschen, die diese Situation selbst mitbekommen und einfach als in Ordnung hingenommen oder ihr sogar mit Nicken beigepflichtet haben, hat mich dazu bewogen, es dabei zu belassen und mit meinen Einkäufen schnellstmöglich heimzugehen. Ich weiß nicht einmal, was mich mehr schockiert, der Rassismus selbst oder das Stillschweigen der anderen Menschen.

Jedenfalls habe ich für mich entschieden, dass ich vorerst nicht mehr einkaufen gehen werde. Ein paar Wochen oder Monate ohne frische Lebensmittel werden mich nicht umbringen (und Klopapier habe ich noch), aber ich bezweifle, dass der Rassismus, zu gegebener Zeit, mit den Schutzmaßnahmen Hand in Hand verschwinden wird... Ich bin gespannt, wie die Lage aussieht, wenn mich Facebook in einem Jahr an diese Vorkommnisse erinnert. Hoffentlich ist dann zumindest die Krise im Griff und es gibt wieder Klopapier – das scheint ja nach wie vor eine der größten Sorgen der Bevölkerung zu sein. Rassismus kann man ja ausblenden (sofern mensch nicht betroffen ist).